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Bundesjustizministerin in Penzberg

30. Mrz 2010 | Allgemein

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Penzberg

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (mitte) besuchte am Dienstag die islamische Gemeinde in Penzberg, links die Vizedirektorin Gönül Yerli, rechts Imam Benjamin Idriz. Foto: wos

Die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat am Dienstag die islamische Gemeinde Penzberg besucht – und ihr angesichts der Islamismusvorwürfe den Rücken gestärkt.

Als Zufall bezeichnete es Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, dass der Besuch just an jenem Tag stattfindet, an dem auch der neue bayerische Verfassungsschutzbericht veröffentlicht wird, in dem die Islamismusvorwürfe zum dritten Mal wiederholt werden. In dem Zusammenhang sagte sie, dass die Vorwürfe ihrer Einschätzung nach nicht zutreffen. Sie erklärte, dass sie als Justizministerium natürlich keinen Einfluß auf das anhängige Verfahren nehme. Als FDP-Landesvorsitzende wolle sie aber „auf politischer Ebene gegenhalten“. Die Politikerin lobte die islamische Gemeinde Penzberg lobte für ihre Transparenz, das vielfältige Engagement und dafür, dass sie das Grundgesetz als gleiches Werteverständnis anerkennt.

Zuvor hatte der Vorsitzende der islamischen Gemeinde Penzberg, Bayram Yerli, betont, dass die Gemeinde „ohne Wenn und Aber zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur Gleichberechtigung der Geschlechter“. So äußerte sich auch Imam Benjamin Idriz. Einen scharfen Ton schlugen beide jedoch angesichts der Islamismusvorwürfe im Verfassungsschutzbericht an. Von einer bestimmten Strömung werde ihnen nichts als Lügen vorgeworfen, sagte Bayram Yerli. Als auffallend bezeichnete es Imam Idriz, dass extremistische Strömungen, seien es islamistische oder die Organisation Pax Europa, keine entsprechende Behandlung erführen. Er empfahl, dass der Verfassungsschutz prüfen sollte, welche Mitarbeiter in der Behörde derartige Denkrichtungen verfolgten.Dennoch, so Idriz, werde man „nicht aufhören, an ein Miteinander in Deutschland zu glauben“.

Zu dem in München geplanten Zentrum für Islam in Europa sagte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, dies sei „ein interessantes Projekt mit vielen Facetten“. Sie wertete die Initiative als positiv.

Quelle: merkur.de

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger in Penzberger Moschee
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im IGP

Rede von Bayram Yerli, Vorsitzender IGP zur Begrüßung von Bundesjustizministerin Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Sehr geehrte Frau Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger,
sehr geehrte Damen und Herren,

heute ist für uns ein besonderer Tag! Hier im Islamischen Forum Penzberg haben wir über die Jahre Tausende von Besuchern, Schulkinder, interessierte Bürger von nah und fern, Kirchenmänner und –frauen, Diplomaten und Politiker aller demokratischen Parteien der Kommunen, des Landes und jetzt auch des Bundes begrüßen dürfen. Wir heißen Sie bei uns sehr herzlich willkommen!

Unsere Besucherinnen und Besucher haben immer wieder unsere Moschee, ein Werk des Augsburger Architekten Alen Jasarevic, als außergewöhnlich beschrieben, als ebenso ästhetisch wie zukunftsweisend, und haben zu Recht die Transparenz des Baus als sichtbaren Ausweis für das Selbstverständnis unserer Gemeinde gepriesen. Wir sind stolz darauf, dass uns hier in Penzberg eine leider immer noch sehr seltene Erfolgsgeschichte gelungen ist, ein Miteinander nämlich einer Islamischen Gemeinde mit der Stadt, mit den Kirchen, mit den Menschen, das in ganz Deutschland als vorbildhaft anerkannt ist. Wir sind für Ihren Besuch sehr dankbar, weil wir auch darin ein Zeichen dieser Anerkennung sehen. Deshalb ist heute – nicht nur kurz vor Ostern – ein froher Tag für uns.

Und doch bedeutet der heutige Tag – Sie wissen ja weshalb – zugleich verstärkte Sorge und Angst um unsere Zukunft. Seit nunmehr fast drei Jahren gelten wir, die wir einen Islam mit europäischem Gesicht vorleben, die wir uns jeden Tag neu zu diesem Land bekennen, das ja auch unser Land ist, die wir die Kooperation mit allen demokratischen Kräften von uns aus suchen, einer bestimmten Strömung in diesem, unseren Land als „gefährliche Extremisten“, als „eingebunden in islamistische Netzwerke“. Nachdem wir seit Jahrzehnten nachweisbar und anerkannt das was wir denken auch sagen, und nichts als das was wir sagen auch leben, wirft man uns von jener Seite nichts als Lüge und Verstellung vor!

Während ich Sie hier feierlich begrüßen darf, wird in München zur gleichen Zeit der Verfassungsschutzbericht für Bayern für das Jahr 2009 vorgestellt, und wir müssen befürchten, nachdem alle Anstrengungen fruchtlos geblieben sind die Betroffenen davon zu überzeugen, dass doch die Wirklichkeit mehr gelten muss, als die eigene Voreingenommenheit, nachdem das Verwaltungsgericht unseren Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den letztjährigen Verfassungsschutzbericht bis zum heutigen Tag, nach nunmehr elf Monaten, noch immer nicht entschieden hat, müssen wir befürchten, dass die Konfrontation gegen uns weitergeht und womöglich noch verstärkt wird.

Und trotzdem, ja gerade deswegen ist Integration eine schwierige, aber eine notwendige Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen, lange Jahre hinweg wurde diesem Thema nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt.

Leider haben wir feststellen müssen, dass das nicht ganz einfach ist, dem Integrationswillen wird nicht immer mit Wohlwollen begegnet. Gemeinden wie unsere die sich mit Deutschland und seinen Grundwerten identifizieren, bekommen zunehmend Probleme mit manch einem Staatsorgan und werden in ihrem Wirken massiv gehindert.

Uns scheint es: Integration der Muslime ist nicht immer gewünscht.

Es betrübt uns sehr, dass manche Organe des Staates unsere Gemeinde als ein Objekt der Gefährdung für die Gesellschaft betrachten und so versuchen die seit Jahren allseits anerkannte Arbeit zu Nichte zu machen.

Wir wissen, dass Integration keine Einbahnstrasse sein kann. Unsere geballte Kraft gilt dem friedlichen Miteinander aller Menschen in unserem Land. Uneingeschränkt gilt die Loyalität zum Grundgesetz und hier bei uns in Bayern, zur bayerischen Verfassung. Wir sind Fanatiker, wenn es um den Rechtsstaat geht. Etwas Besseres kann es nach unserem Verständnis nicht geben.

Wir werden nicht Müde zu betonen, dass wir ohne wenn und aber zu der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung stehen. Dass hierzu die Gleichberechtigung der Geschlechter zählt, dass ohnehin Auftrag unserer Religion ist, auch wenn wir dies vielerorts leider vermissen und gerade auch deshalb immer wieder für muslimische Ohren betonen müssen. Genauso wie es keine Entschuldigung von Gewalt und Extremismus geben kann. Keine Frage ist auch, ob wir die Deutsche Sprache erlernen sollten oder nicht. Sie gehört ohne wenn und aber zum Pflichtprogramm der Integration, so wie der Besuch eines Schwimm- oder Sportunterrichtes für unsere Kinder.

Wir erwarten aber auch, dass unser zielstrebiges Bemühen, dass im Zentrum unserer Arbeit seit der Gründung unserer Gemeinde im Jahr 1994 steht, auch ein wenig Anerkennung findet. Hierbei geht mein Wort nicht an die vielen Unterstützer und den mittlerweile geschlossenen Freundeskreis.

Die Zeit wird reifen lassen, wenn wir auf beiden Seiten diese Pflanze pflegen, der eine Licht, der andere Wasser gibt. Mit Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rede von Penzberger Imam Benjamin Idriz aus Anlass des Besuchs von Bundesjustizministerin Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Sehr verehrte Frau Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger,
sehr geehrte Damen und Herren,

seit wir das, was in Penzberg so eindrucksvoll umgesetzt werden konnte, in Gestalt einer anspruchsvollen Initiative im größeren Rahmen planen, zum Nutzen unserer gesamten Gesellschaft und als Antwort darauf, was beständig und mit Recht von uns Muslimen in Deutschland eingefordert wird, seitdem betreiben wir, wie die Gemeinten es selbst formulieren, eine „schleichende Islamisierung“. Also sollen wir Muslime stattdessen in Hinterhöfen bleiben, unter uns in Parallelgesellschaften leben und uns nicht einbringen, nicht einmischen in die Gesellschaft, zu der wir nicht gehören sollen, sollen doch wohl am besten wieder zurück in die Länder, aus denen wir, oder unsere Eltern, oder unsere Großeltern, einmal gekommen sind.

Die Initiative zu einem „Zentrum für Islam in Europa – München (ZIE-M)“ hat – auch das wissen Sie – soeben erst die Unterstützung aller Fraktionen des Münchner Stadtrats gefunden – an sich schon ein bemerkenswerter Vorgang, und umso mehr, wenn es sich um eine Initiative von Muslimen handelt!

Es ist in dieser Form ohne Beispiel,

  • dass alle demokratischen Parteien in Stadtrat und Landtag,
  • die großen Kirchen,
  • die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und des Zentralrats der Juden in Deutschland Frau Knobloch, diese Initiative unterstützen.

Dass ZIE-M eben keinen neuen Moscheenstreit hervorruft, sondern einen derart breiten und repräsentativen Konsens weckt. Aber eben mit einer Einschränkung. Genau genommen sind es zwei, die sich außerhalb dieses Konsens stellen. Das ist nämlich zum

  • einen ein einzelner, rechtsextremer Stadtrat, von dem nichts anderes zu erwarten war
  • und zum anderen das Bayerische Innenministerium.

Diese Konstellation ist erschreckend, und muss nicht nur uns Muslime, sondern alle Bürger und Institutionen dieses Landes alarmieren.
Sehen Sie, es ist in einer freiheitlichen Gesellschaft, die wir – das sage ich ganz bewusst: Gott-sei-Dank! haben, wahrscheinlich nie ganz zu vermeiden, dass es an den Rändern auch unerfreuliche, beunruhigende Strömungen gibt, Extremismus, wie z.B. Neonazismus und Antisemitismus, Ausländerfeindschaft, Hass und Hetze gegen Muslime, auch wenn wir uns mit keiner davon jemals abfinden dürfen. So wie es ja auch – das ist jeden Tag den Medien zu entnehmen – unter Muslimen Extremisten gibt, bedauerliche und abscheuliche Verirrungen und Ideologien, die nicht aufhören, das reine Antlitz unseres Glaubens zu beschmutzen und zu verdunkeln. Aber dass eine gegen Minderheiten gerichtete Ideologie aus staatlichen Behörden heraus wirken kann, widerspricht allem, wofür Sie und ich stehen.

Es ist auffällig, dass tatsächlich extremistische Strömungen, die es ja auch gibt, keine entsprechende Behandlung erfahren. Ebenfalls auffällig ist, dass offen Islam- und integrationsfeindliche Gruppierungen wie z.B. „Politically Incorrect“ oder „Pax Europa“, mit ihrer volksverhetzenden Hasspropaganda bisher keine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht finden. Es sollte dringend überprüft werden, in welcher Nähe sich der eine oder andere Mitarbeiter in der Behörde zu solchen oder ähnlichen Denkrichtungen bewegt.

Penzberg und seine Muslime können ein Beispiel für gelungene Integration sein. Wenn das Modell Penzberg aus einer fehlgeleiteten Politik scheitern sollte, so liegt dieses Scheitern nicht bei den Penzbergern und seinen Muslimen!

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Es ist keineswegs nur dieser erste Absatz unseres Deutschen Grundgesetzes, zu dem wir uns bekennen. Satz für Satz und Wort für Wort ist das Grundgesetz wie die Bayerische Verfassung die gemeinsame Grundlage für unser Selbstverständnis, für unsere Gegenwart und Zukunft, mit allen, die sich ebenso dazu bekennen. Gott selbst hat sein würdigstes Geschöpf, den Menschen, mit Verstand ausgekleidet und ihm die Aufgabe übertragen, selbst in eigener Verantwortung, in Seinem Sinne, Gesetze zu erlassen.

Das Deutsche Grundgesetz gehört zu den großartigsten modernen Fundamenten, die ein Volk sich „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ geschaffen hat. Der Islam erlaubt uns nicht nur, uns treu und loyal zum Gesetz des Landes, in dem wir leben, zu verhalten, er fordert uns klar und deutlich dazu auf! Der Islam fordert eine auf Recht und Gerechtigkeit aufgebaute Gesellschaft.
Was auch immer die Zeiten und Kulturen in ihrer Gott-gewollten Verschiedenheit hervorbringen: wo das politische System die Würde und Gleichheit des Menschen garantiert, die Religionsfreiheit, die Meinungsfreiheit, den Schutz von Eigentum und Nachkommenschaft – dort ist auch der Islam zuhause.

Wir werden nicht aufhören, an das Miteinander in Deutschland zu glauben und mit unserem Denken, Reden und Handeln dafür einzustehen. Der heutige Tag zeigt, dass wir dafür wohl auch weiterhin viel Konfrontation und Gegenwind werden aushalten müssen. Aber der heutige Tag zeigt auch, dass wir dabei mit vielen würdigen Menschen Hand in Hand gehen – und dafür danken wir Ihnen von Herzen!

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