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Eine repräsentative Moschee für München

28. Apr 2010 | Allgemein

Islamische Zeitung im Interview mit Imam Idriz
Quelle: islamische-zeitung.de

Imam Idriz: Interview mit IZ

Dass die Entwicklung des Islam in Deutschland augenblicklich auf der Stelle tritt, ist mittlerweile eine Ansicht, die nicht nur von wenigen geäußert wird. Es ist sicherlich einfach, diesen Missstand zu beklagen, schwie­rig wird es aber bei der Formulierung ­alternativer Modelle. Ein Allgemeinplatz in dieser – leider noch zu selten geführten – Debatte ist dabei die Vermittlung von islamischem Wissen, das sich von den Ex­tre­men und einem politisierten Islamverständnis fernhält.

Einer der Ansätze, die von der Islamischen ­Gemeinde Penzberg geplant sind, ist das Münchener ZIE-M. ZIE-M ist die Abkürzung für „Zentrum für Islam in Europa – München”. Es handelt sich dabei um eine Initiative, die die bisherige muslimische Vergangenheit in diesem Lande herausfordern will, sich der Lebensrealität im Kontext der Gegenwart im Hier und Jetzt zu stellen. Das Projekt ZIE-M ist ein aufrichtiges Angebot von Musliminnen und Muslimen in München, diesich dem Gemeinwohl unserer Gesellschaft in Deutschland verpflichtet sehen.

Um mehr darüber zu erfahren und auch, um die Möglichkeiten eines solchen Projekts im bundesdeutschen Kontext einzuordnen, sprach die IZ mit Benjamin Idriz. Idriz ist Imam und Direktor des Islamischen Forums in Penzberg. Der in Mazedonien geborene Diplomtheologe stammt nicht nur aus einer Familientradition muslimischer Gelehrter und ist mehrsprachig aufgewachsen. Er ist auch Teil des multinationalen Teams, das seit Jah­ren die Penzbeger Gemeinde betreibt und nun das Projekt in München realisieren möchte.

Islamische Zeitung: Lieber Benjamin Idriz, die Islamische Gemeinde Penzberg arbeitet seit geraumer Zeit an einem neuen Projekt in München (das so genannte ZIE-M), das eine recht positive Medienresonanz gefunden hat. Für unsere Leser, die es nicht verfolgt haben, was sind die Eckpunktes des Vorhabens und in welcher Entwicklungsphase befindet es sich?

Benjamin Idriz: Diese Initiative ist meiner Meinung nach zumindest für Bayern innovativ, weil sie sich in mindestens einem Punkt von anderen dadurch unterscheidet, dass sie frei von Einflüssen aus dem Ausland und vom Einfluss der Dachverbände ist. Das heißt, es handelt sich dabei alleinig um ein Projekt von Muslimen in Deutschland, die sich hier heimisch fühlen. Im Gründungsvorstand finden sich muslimische Persönlichkeiten mit verschiedenen ethnischen Ursprüngen, die sich aber mit Deutschland identifizieren.

Das ZIE-M ist darüber hinaus interessant, weil wir es gerne in Zusammenarbeit mit der Stadt München verwirklichen wollen. Das bedeutet, dass die Stadt München direkt an der Verwirklichung des Vorhabens interessiert und beteiligt ist. Es bedeutet auch, dass die Kommune damit einen Teil des Projektes übernehmen wird. Ein Beispiel dafür ist das Islamische Museum, das es so bisher noch nicht in Bayern gibt. Ebenso wie das Jüdische Museum in München-Mitte eine städtische Einrichtung ist, will die Stadt auch ein Islamisches Museum betreiben, das zugleich einen Baustein des ZIE-M darstellt.

Dies ist aber nur ein Teil des Projektes. Weiterhin ist eine Islamische Akademie für wissenschaftlichen Austausch geplant. Wir hoffen für die Zukunft, dass wir hier Fort- und Ausbildung von Imamen anbieten können, die in München beziehungsweise in Bayern tätig sind. Das Gleiche gilt für Religionslehrerinnen und -lehrer, die wir in unserem Bundesland dringend benötigen.

Wir möchten in diesem Zusammenhang gerne in Kooperation mit den zuständigen staatlichen und akademischen Einrichtungen eine Theologie des Islams in Europa entwickeln. Beim ZIE-M natürlich in Kooperation mit den Muslimen. Des Weiteren wollen wir eine öffentliche Islamische Bibliothek für München wie für ganz Bayern mit Büchern in verschiedenen Sprachen einrichten.

Vorgesehen ist auch ein Kulturzentrum für soziale Schwerpunktthemen, sei es für Kinder, Mädchen und Erwachsene, aber auch für muslimische Senioren, die sich in etwaigen Altersheimen nicht wohl fühlen, die aber auch keinen privaten Platz haben. So wollen wir in München ein Altersheim für Muslime bauen, aber auch einen Kindergarten.

Dann kommt letztendlich auch eine repräsentative Moschee – und zwar eine internationale. München ist eine Weltstadt mit Herz. Es fehlt hier, wo über einhunderttausend Muslime leben, an einer zentral gelegenen, internationalen Moschee, die sich mit München identifiziert. Es ist natürlich die Aufgabe von Muslimen, diesen Teil des Vorhabens zu verwirklichen.

Islamische Zeitung: Sie sagten, dass ZIE-M solle frei von ausländischen Einflüssen sein. Nun gibt es keine jahrhundertelange Tradition der islamischen Wissensvermittlung. Sie werden doch wohl kaum darum herumkommen, wesentliche Elemente dieses Wissens aus dem Ausland zu holen?

Benjamin Idriz: Es ist eine Tatsache, dass wir in Deutschland bisher keine Tradition der islamischen Wissenschaften und der Theologie hatten. Aber in Europa haben wir auf dem Balkan und in Osteuropa eine verwurzelte islamische Wissenschaft. Dies sind für uns Orientierungspunkte, die wir auch in Westeuropa als Modell übernehmen können.

Ich hoffe, die Islamische Akademie in München wird diese Richtung einschlagen: die Entwicklung einer traditionellen islamischen Theologie im europäischen Kontext. Wir können dies in den erwähnten Regionen beobachten und ich hoffe, dass sich die Muslime in Deutschland dies als Vorbild nehmen werden. Dafür benötigen wir Wissenschaftler und ‘Ulama, die sich in Deutschland beheimatet fühlen, aber auch eine tiefe Kenntnis haben.

Mit solchen Wissenschaftlern lässt sich diese Aufgabe auch in Deutschland bewerkstelligen.

Islamische Zeitung: Lieber Herr Idriz, laut den letzten Meldungen fand das geplante ZIE-M eine breite politische Basis in München. Gleichzeitig gab es Ihnen gegenüber eine teils kritische Reaktion von Seiten des Verfassungsschutzes. Wie haben Sie auf diese Kritik reagiert und wie würden Sie diese einschätzen?

Benjamin Idriz: Wir haben seit 2007 Schwierigkeiten mit einigen Beamten, die im Verfassungsschutz arbeiten. Wir wurden von diesen beschuldigt, dass wir mit, ihrem Wortlaut nach, „islamistischen“ Gemeinden in Verbindung stünden und mit ihnen zusammenarbeiten würden.

Dies stimmt nicht. Die Islamische Gemeinde Penzberg ist unabhängig, multinational mit Mitgliedern aus mehr als 10 Nationen, und es ist allgemein bekannt, dass wir keiner der bestehenden Dachorganisationen angehörig sind. Alleine zwei oder drei Begegnungen oder Telefonate mit muslimischen Persönlichkeiten in Deutschland können doch nicht als Beweis dafür dienen, dass wir von woher auch immer aus gesteuert werden würden.

Weil wir als Islamische Gemeinde Penzberg seit drei Jahren in den Verfassungsberichten erwähnt werden, hatten wir geklagt. Dabei handelte es sich um ein Eilverfahren, das sich aber bereits seit mehr als elf Monaten hinzieht. Selbst die Justizministerin hat sich erstaunt gezeigt, dass ein Eilverfahren in Deutschland so viel Zeit in Anspruch nehmen kann. Dies ist in der bayrischen Justizgeschichte ein Einzelfall. Wir sind sehr gespannt, wie die Richter jetzt entscheiden werden. Innenminister Herrmann ist nicht gegen das Projekt und er hat bereits Signale für eine Unterstützung unseres Vorhabens gegeben. Er hat uns dies als damaliger Fraktionsvorsitzender der CSU schriftlich gegeben. Wir hoffen, dass es vor Gericht zu einer Lösung kommen wird, auch wenn es im Hintergrund einige skeptische Personen gibt. Gegenüber den Skeptikern, die sich zu ZIE-M kritisch äußern, sind wir offen für einen fairen Dialog.

Ich wünsche mir, dass wir das Projekt trotz unserer Schwierigkeiten realisieren werden, weil eine breite Unterstützung vorhanden ist, weil das Konzept auf den verschiedensten Foren vorgestellt wurde und weil viele Politiker und Religionsgemeinschaften, darunter auch Moscheegemeinden, in München davon überzeugt sind. Zuletzt haben wir am 13. April das Projekt im Bayerischen Landtag in München vorgestellt, wobei viele Muslime und Nichtmuslime anwesend waren und wir nur ermutigende Signale empfangen haben.

Lediglich zwei Strömungen richten sich gegen das Zentrum in München: Ein einzelner Münchener Stadtrat, der die Rechtsradikalen vertritt und islamfeindliche Einzelpersonen beziehungsweise Strömungen, hinter denen extremistische Gruppen wie „Pax Europa“ oder „Politically Incorrect“ stehen. Natürlich können wir von dieser Seite nichts anderes erwarten.

Islamische Zeitung: Haben Sie die Hoffnung, dass das ZIE-M eine positive Ausstrahlung in die breitere muslimische Community Deutschlands haben könnte?

Benjamin Idriz: Ich habe mittlerweile Signale aus anderen Bundesländern erhalten, da diese durch unsere Broschüren und unsere Homepage von dem Projekt erfuhren. Man sieht darin eine innovative Initiative. Viele Einrichtungen, vor allem jene, die nicht verbandsgebunden sind, äußerten sich dahingehend, dass das ZIE-M genau das sei, was sie seit vielen Jahren erwarten würden.

Diese Muslime und auch jene, die keine Integration benötigen, weil sie deutsche Muslime sind beziehungsweise hier geboren wurden, und auch gar nicht mehr über Integration reden müssen, wollen das Recht haben, hier ihre Religion auszuüben. Im deutschen Kontext ist unser Projekt genau für diese Gruppen der Muslime eine Chance. Ich hoffe, dass sich die Muslime zukünftig mehr für solche Projekte interessieren werden, weil sich unsere Zukunft in Deutschland ereignen wird. Wir müssen sie gemeinsam in Deutschland gestalten.

Islamische Zeitung: Lieber Benjamin Idriz, bei der angekündigten zweiten Runde der Islamkonferenz wird deutlich, dass sich der negative Trend in der Auseinandersetzung mit den Muslimen fortsetzt. Dies führt dazu, dass praktizierende Muslime ohne ihr Zutun in ein Spannungsfeld von „modern“ versus „konservativ“ geraten. Stimmen Sie zu, dass eine traditionell vertiefte, vernünftige Lehre dabei ­helfen könnte, diesen Gegensatz zu verringern?

Benjamin Idriz: Ich bin nicht derjenige, der solche Begriffe verwendet. Es wäre sehr schwer, jemandem zu sagen, er wäre „konservativ“, „liberal“ oder „traditionell“. Tatsache ist, dass es verschiedene Islamverständnisse gibt.

Weil die Muslime nicht ihre Religion, sondern auch ihre kulturellen Traditionen mit nach Deutschland brachten, müssen wir zukünftig ein Islamverständnis entwickeln, das gleichzeitig mit den Werten des Grundgesetzes übereinstimmt. Dies dürfte nicht schwierig sein, da zwischen beiden eine grundlegende Harmonie besteht.

Wir brauchen ein Islamverständnis, das weder im Widerspruch zu den islamischen Quellen und Grundwerten, noch zum Grundgesetz steht.

Islamische Zeitung: Vor wenigen Wochen geisterten Meldungen durch die Tagespresse, wonach die Gründung eines Vereins „liberaler Muslime“ geplant sei…

Benjamin Idriz: Ich bin sehr skeptisch, wenn ich von solchen Vorschlägen höre. Das bringt nichts. Es ist ja notwendig, dass sich die bestehenden Dachverbände mit ihren Weltbildern und ihrer ethnischen Herkunft nach Deutschland orientieren. Sollte es nun zu einer solchen Initiative für einen so genannten „liberalen“ Verband kommen, lenkt dies vom eigentlichen Ziel ab. Wir brauchen weder „liberale“, noch „konservative“.

Vielmehr ist es notwendig, dass sich Muslime, von denen hier mehr als vier Millionen leben und von denen mehr als zwei Millionen die deutsche Staatsbürgerschaft haben, endlich mit ihrer Heimat identifizieren und einen gemeinsamen Weg finden.

Islamische Zeitung: Ihre Gemeinde hat jahrelange Erfahrungen im Aufbau einer übernationalen, lokalen Moschee, die vor Ort gut eingebunden ist. Stellen wir uns vor, es gäbe ein allgemeines Forum von interessierten Muslimen mit den bestehenden Orga­nisationen und Sie könnten dort Wünsche äußern, was würden Sie konkret fordern?

Benjamin Idriz: Ich habe meinen Vorschlag schon gemacht, ob er nun angenommen wird, oder auch nicht. ­Dieser wird im Mai in einem Buch, das ich ­zusammen mit zwei Professoren der Universität München geschrieben habe, vorgestellt. Es soll den Titel „Islam mit ­europäischem Gesicht“ tragen. Dort ­mache ich den muslimischen Dach­verbänden ganz konkrete Vorschläge beziehungsweise den Organisationen in Deutschland.

Sie sollten sich auf die Gründung einer Islamischen Religionsgemeinschaft einigen. Alle Organisationen sollten in diesem Dachverband verschmelzen. Die DITIB, der VIKZ, die IGMG, die IGD, der Zentralrat, der Islamrat und die anderen wären darin dann Geschichte. Tatsache ist, dass im Grundgesetz die Religionsgemeinschaften zuständig für die Religionsausübung und die Organisation der religiösen Lehre sind. Von der lokalen Ebene, über die Länder bis zum Bund benötigt dies einen repräsentativen Ansprechpartner. Es hat sich als notwendig erwiesen, dass die Muslime dies endlich angehen und einen gemeinsamen Weg finden.

Jeder der Beteiligten muss in der Lage sein, seine Hintergründe hinter sich zu lassen und für die Zukunft zu arbeiten.

Islamische Zeitung: Herr Idriz, wir danken für das Gespräch.

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