Konferenz gegen Rassismus: Dialog statt Islamophobie

19. Mrz 2012 | Dialog

„Woche gegen Rassismus“ in Graz: Imam Benjamin Idriz fand mit seinen Thesen viele Zuhörer.
Die Rede von Imam Benjamin Idriz in Graz am 19.03.2012

Wir dürfen von Andersartigen nicht Angst haben. Angst ist das Zeichen des Schwachen.

Wie ihnen vielleicht bekannt sein dürfte, fand die erste Europäische Imamkonferenz in Graz statt. Die 2. Konferenz in Wien im Jahr 2006, bei der ich mitgewirkt habe. Ja und seit dem schiele ich mit einem Auge sehr neidisch nach Österreich, denn eine Imamkonferenz fand bislang in Deutschland nicht statt. Auch hat der Islam nicht den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes, wie es Österreich genießt. Die Anerkennung des Islams seit 1912 als Religionsgemeinschaft macht es ihnen, liebe Österreicherinnen und Österreicher leichter, vermute ich, den Dialog auf gleicher Augenhöhe zu suchen. Versäumen möchte ich es nicht und gratuliere ihnen allen zum 100 jährigen Jubiläumsjahr. Möge es die Anlässe der Begegnung und den Respekt vor einander um das Vielfache vermehren.

Denn sind wir doch einer globalen Welt ausgesetzt, die neben ihren schönen Aspekten, eben auch traurige und unzulässige Kapitel schreibt. Wie z.B. die, dass der Islam gleichgesetzt wird mit Terrorismus, dass die Sicherheitsämter seit 9/11 auf Alarm eingestellt sind, dass das Klima des Alltags, ich spreche für die Muslime, mit einem ständigen Rechtfertigungsdruck, wer sie sind und wer sie nicht sein möchten, ausgesetzt sind. Das kann nicht zum Dauerzustand werden. Die Zukunft unserer Welt liegt in den Händen der Pluralen Gesellschaften. Nicht nur Europa ist von dieser Diversität betroffen.

Viele Völkerwanderungen, die einen aus Frust, die anderen aus Lust, ziehen den Menschen in Regionen, die ihnen räumlich neu und fremd sind. Ein Zusammenleben in Pluralen Gesellschaften sollte geprägt werden, von einem ständigen Geben und Nehmen. Für die Muslime heißt es, selbst die Verantwortung zu übernehmen, für größtmögliche Transparenz zu sorgen und die Lehren der Religion klug, bedacht, vernünftig und verantwortungsvoll vorzuleben. Eine gemeinsame starke Stimme gegen jegliche Art von Intoleranz von menschenunwürdigen Parolen müssen Allgemeingut werden. Denn die beste Medizin gegen Hass und Intoleranz ist das Wissen. Wie heißt es so schön, wer nichts weiß, muss alles glauben. Deshalb danke ich ihnen allen für ihr kommen, für ihr Interesse, ich danke den vielen Kooperationspartnern, allem voran der Stadt Graz, den Kirchen und den vielen Anderen, die dazu beigetragen haben, heute Abend noch einen Meilenstein zu legen, damit uns das Miteinander friedlich und menschenwürdig gelingt.

Wir brauchen mehr denn je eine Kultur der Wertschätzung von allen Seiten und das erfordert über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen oder wie das Motto für heute lautet: Für einen alternativlosen Dialog einzutreten.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in Europa bereits die passenden Schlüssel gefeilt haben, wir müssen uns nur trauen auch die Türen damit zu öffnen. Wir dürfen nicht davor Angst oder Ungewissheit haben, auf dass was uns hinter dieser Türe erwartet. Sicherlich wird es auch Momente der Enttäuschung geben. Aber sehen wir doch auch die zahlreichen Momente des Friedens, der Geborgenheit und der Freude in diesem Hause.
Die erste Generation von muslimischen Migranten haben aus ihren jeweiligen Ländern nicht nur ihre Religion mitgebracht, sondern auch Ihr Verständnis für Religion, ihre Kultur und Volkstraditionen. Was ich damit sagen möchte ist, dass es kein einheitliches „Islamisches Wesen“ gibt. Das heißt, auch Muslime selber bedürfen einer Öffnung, sowohl nach außen hin zu ihrer neuen Erfahrungswelt hier in Österreich, als auch nach neu aufkommenden Fragen, die ihren Glauben im Kontext des Hier und Jetzt betreffen.

Ich habe, wie vielen von Ihnen bekannt ist, mich schon häufig und ausführlicher, als das heute hier Platz hat, dafür eingesetzt, dass der Islam auf die Fragen unserer Zeit und unserer Kultur Antworten bieten muss. Eine Religion wäre tot, wenn sie nicht dynamisch die Menschen begleiten würde auf ihren vielen verschiedenen Wegen durch die Zeiten und Kulturen.
Das steht in keinem Widerspruch damit, dass die Quellen der Religion ewig sind; denn sie kommen von Gott. Diejenigen, die aber nicht willens oder nicht fähig sind, aus diesen unveränderlichen Quellen immer wieder neue Antworten zu schöpfen, sind die Totengräber der Religion. Solche Phasen hat es in islamischen Kulturräumen leider viel zu lange gegeben; es gibt sie sogar heute noch.

Aber heute nicht anders als in der Vergangenheit hat sich der Islam immer dann als vitale Religion erwiesen, wo sich die Muslime nicht an die Traditionen anderer Kulturräume und vergangener Epochen gekettet haben, sondern neue Antworten für ihre Lebenswirklichkeit suchten und fanden. Nicht nur die islamische Lehre, sondern alle göttlichen Offenbarungen und Lehren und die aus ihnen hervorgegangenen Regeln und Gesetze sind im Laufe der Geschichte nur mit dem Zweck entstanden, die Grundrechte wie Gerechtigkeit unter den Menschen, Frieden, und Freiheit zu erzielen und zu schützen. Diese historisch bis heute gewachsenen Werte und Rechte sind nicht das Produkt einer bestimmten Gesellschaftsordnung und Philosophie, sondern universelle Werte, die als Allgemeingut der ganzen Menschheit gelten sollten.

Der Islam besitzt einen universellen Charakter und hat die Fähigkeit, sich an jede Epoche und an jeden Ort anzupassen. Natürlich gilt das auch für Steiermark. Nur für ein erstarrtes, extremistisches Islamverständnis, dem die universellen Werte fehlen, gilt dies nicht. Ein solches Islamverständnis ist – das ist für jeden deutlich – nicht integrierbar, nicht einmal im Orient, geschweige denn im Okzident.
Hier in Europa hat, wie in jeder geographischen Region der Welt, die Kultur die Religion beeinflusst – also auch den Islam, denn der Islam hat schon immer auch zu Europa gehört. Die in Europa entwickelten Werte wie Freiheit, Demokratie, pluralistische Gesellschaft, Gleichberechtigung etc. beeinflussen ganz zwangsläufig das Islamverständnis der europäischen Muslime. Europa hat in seinem Islamverständnis und auch in seiner Ausübung eigene Erfahrungen gemacht. In Bosnien durch die Zusammenarbeit der Bosnier und Österreicher.

Dazu kurz eine Anekdote:
Zum Ende des 19. Jahrhunderts durchlebten die Muslime in Bosnien den Übergang vom osmanischen islamischen Reich zum Österreich-Ungarischen, christlichen Reich. Das bedeutete für Bosnien eine Neuorientierung und damit tauchte die Frage der Integration der Muslime in einen bisher unbekannten Staatsapparat auf. Bereits in den Anfängen des Machtwechsels beschäftigten sich in Sarajevo muslimische Denker wir Mehmed-Beg Kapetanovic Ljubusak und Dzemaludin Cusevic gedanklich mit Religionsreformen, um eine möglichst verlustfreie Integration der bosnischen Muslime in das Österreichisch-Ungarische Reich zu gewährleisten.

Ihnen gelang es, das muslimische Volk mit richtungsweisenden Botschaften für diese Eingliederung zu gewinnen. Wie gegenwärtig in Europa zu spüren ist, ist auch die Geschichte Bosniens gezeichnet von solchen muslimischen Gelehrten, die in ein konservatives Lager hinein wuchsen, und solchen, die Reformen in Gang setzten. Während die Konservativen weiter auf die klassische Methode setzten, verknüpften die Reformer den Islam mit dem Geist der Zeit, des Ortes und der vorherrschenden Begebenheiten. Die Stimmen der Reformer wurden immer mutiger und sie gingen im Lauf der Zeit als Gewinner hervor. In den zahlreichen Veröffentlichungen der Reformer ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass es nicht darum geht, das religiöse Kleid abzustreifen, um zu überleben, sondern als gläubiger Muslim sich Richtung Europa auszurichten. Den Reformern ging es hauptsächlich um eine Sensibilisierung des muslimischen Daseins unter Österreich-Ungarn. Die Reformer ermutigten ihre Landsleute sich gegenüber der österreichisch-ungarischen Regierung, also gegenüber Europa, zu öffnen und sich loyal zu ihr zu stellen. Sie traten auch für das Erlernen der deutschen Sprache bzw. der Sprache der Herrschenden ein.

Gelobt wird in ihren zahlreichen Werken ausdrücklich Kaiser Franz Joseph I., der sein christliches Land den bosnischen Muslimen öffnete, ihnen nicht nur Toleranz entgegen brachte, sondern auch direkte Hilfe bot, um muslimische Identität zu pflegen. Das 1887 in einem prächtigen ost-westlichen Stil erbaute Gebäude Mekteb-i Nuvvab in Sarajewo, das die älteste Fakultät für islamische Wissenschaft in Europa beherbergt, sowie die ebenfalls in jener Zeit geschaffene Institution des Reisu-l-ulema als geistiges Oberhaupt und Repräsentant der Muslime, künden noch heute von der Offenheit und Weitsicht des christlichen Monarchen.

Das, was gestern in Bosnien Geschichte geschrieben hat, kann für das heutige Österreich Inspiration sein zu einer fruchtbaren Zukunft. Dafür aber bedürfte es christliche Menschen wie einst Kaiser Franz Joseph und muslimische Vordenker wie Ljubusak oder Causevic oder die an ihren Visionen zielstrebig festhielten und sie bis in unsere Zeit hinein spürbar werden lassen.
Diesen Wunsch und diese Hoffnung erlaube ich mir nach Graz zu übertragen. Der Bürgermeister ihrer Stadt, die Vertreter aller demokratischen Politiker in Graz, sowie die religiösen Würdenträger in dieser Stadt, sind die heutigen Franz Josephs und die Vorsitzenden, die Imame und die Gemeindemitglieder des Islamischen Kulturzentrums sind hingegen die Nachfolger der reformorientierten Islam-Intellektuellen in Bosnien.

Die Muslime in Europa sind heute gefordert, ihr Religionsverständnis neu zu hinterfragen, die Quellen des Glaubens aus der Perspektive der universellen Werte, wie etwa Freiheit und Menschenwürde zu betrachten, Vernunft und rationale Kritik überall zuzulassen und sie in den Vordergrund zu rücken. Muslime müssen Selbstkritik als ein Zeichen der Stärke begreifen und vehement gegen Tabuthemen vorgehen.

Die Muslime rufe ich auf, ihre Verbundenheit mit der Demokratie und mit Österreich im täglichen Leben und in gesellschaftlichem Engagement zu demonstrieren. Wir müssen es nicht nur uns selbst, sondern auch anderen beweisen, dass diese Werte nicht nur den Christen, Juden, den Angehörigen anderer Religionen oder den Atheisten gehören, sondern nicht weniger auch den Muslimen.
Muslime müssen an vorderster Front gegen jede Radikalisierung der Religion vorgehen und religiösen und nationalistischen Fanatismus bekämpfen, der Unterdrückung und Gewalt entschieden entgegentreten, indem wir uns dazu bekennen, dass Extremismus ein Irrweg ist und dass Gewalt niemals eine Lösung, aber immer eine Sünde ist.

Gleichzeitig ist mir selbst nur allzu bewusst, dass trotzdem immer wieder Stimmen alle Schuld bei den Muslimen suchen werden, ganz egal, wie sie sich verhalten. Einfach nur, weil wir Muslime sind. Wenn die Muslime sich zu Europa bekennen, werfen sie ihnen „Verschleierung“ vor; tun sie es nicht, dann neigen sie zu Abschottung und Parallelgesellschaften.
Nur im gemeinsamen Schulterschluss kann sich die Demokratie bewähren und gestärkt aus dieser Herausforderung hervorgehen. Aber nehmen wir diese Bedrohung unseres gemeinsamen europäischen Selbstverständnisses durch die Islamophobie überhaupt ernst genug? Nehmen wir sie überhaupt wahr?

Viele von Ihnen wissen gut, dass die moderaten und demokratischen Muslime in Europa zur Zielscheibe von Kräften geworden sind, die dem Islam per se extremistische Züge, Gewaltaffinität, Täuschungslegitimität und so weiter und so fort zuschreiben. Dieses Vorgehen ist für die gemeinsame Zukunft in Europa nicht weniger verheerend, wie es die Verbreitung antimuslimischer Pamphleten, Flugblätter, konfrontativer Ideologien und Fundamentalismen jeglicher Art sind. Deren Ideologie, die im Europa des 21. Jahrhunderts eine große Minderheit wegen ihrer Religion pauschal diffamiert und ausgrenzt, stellt heute die wohl meistverbreitete Form von Extremismus dar, mit der unsere Gesellschaft insgesamt konfrontiert ist.

Islamfeindliche Agitation nimmt zunehmend alarmierende Dimensionen an; die Gesellschaft und ihre öffentlichen Repräsentanten müssen sich dazu durchringen, diese Form von Extremismus als solchen wahrzunehmen und zu brandmarken. Meine Bundeskanzlerin Angela Merkel hat neulich in Berlin gesagt: „Intoleranz und Rassismus äußern sich keineswegs erst in Gewalt. (…) Gefährlich sind auch diejenigen, die Vorurteile schüren, die ein Klima der Verachtung erzeugen. (…).“ Damit ist das wesentliche gesagt.

Wir als Europäer dürfen von Andersartigen nicht Angst haben. Angst ist das Zeichen des Schwachen. Muslime leben hier und werden bleiben und die realen Verteilungsprobleme, die Bildungsnot, soziale Ungerechtigkeiten existieren davon unabhängig und müssen bewältigt werden, ohne dass noch so glühender Islamhass oder Rechtspopulist dazu irgendetwas beitragen wird. Wir sind uns alle einig, dass wir die realen Probleme und Herausforderungen nicht verdecken und nicht herunterspielen dürfen, sondern sie klug und überlegt, mutig und entschlossen angehen müssen. Aber das müssen wir gemeinsam tun, und das geschieht nicht, solange sich in einer Gesellschaft eine Stimmung breit macht, oder breit gemacht wird, dass „die anderen“ an allem schuld seien. Lassen Sie uns die richtigen Fronten ziehen. Nicht zwischen Ost und West und nicht zwischen Ethnien oder Religionen. Sondern zwischen solchen Menschen auf der einen Seite, die die Achtung vor der Würde des Menschen hochhalten und gemeinsam an zukunftsorientierten Lösungen arbeiten, und solchen, die ihre Religion, ihre Ideologie, ihre Rasse für überlegen halten und nichts zu bieten haben, als Konfrontation und Perspektivlosigkeit.

Verehrte Damen und Herren,
vor allem meine muslimischen Schwestern und Brüder,

die eigene Identität steht unmittelbar zur Debatte. Wir bedürfen einer Bestimmung unseres Verhältnisses zur Welt und zu der Gesellschaft, für die wir uns entschieden haben und mit der wir uns identifizieren. Dabei geht es nicht um ein Aufgeben der religiösen Identität, sondern darum, im Einklang mit der Umgebung überzeugter, praktizierender Muslim und gleichzeitig angekommener Europäer zu sein. Das ist Voraussetzung und notwendig, denn es geht hier um unsere konstruktive Verantwortung für die hiesige Gesellschaft – also darum, als engagierte Bürgerinnen und Bürger muslimischen Glaubens für ein friedliches Zusammenleben in Pluralität einzutreten, für soziale Gerechtigkeit, für Menschenwürde, für Bildung und Erziehung und für unseren gemeinsamen Rechtsstaat. Der Islam fordert eine auf die Gesellschaft und auf die Gemeinschaft hin ausgerichtete Identität und verlangt von seinen Anhängern, sich aktiv am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen.

Gottes Offenbarung an die Menschen, der Koran, ist für alle Zeiten unveränderlich. Doch jede Zeit, jede Kultur, hat diese Quellen immer wieder neu befragt. Die Islamischen Gelehrten waren in der Geschichte bemüht, Lösungen zu entwickeln, indem sie die Offenbarung in Abhängigkeit vom kulturellen Charakter der Gegenwart neu formulierten. Heute haben wir andere Bedürfnisse und andere gesellschaftliche Strukturen; daher müssen sich auch der Gegenstand, die Fächer, Begriffe, Diskurse und Methoden weiterbewegen. Bei dieser Methode sollte eine Verbindung zwischen der Lehre und der aktuellen Wirklichkeit hergestellt werden, sie sollte eine zeitgemäße Antwort auf die Frage finden, was Gott gemeint hat, statt zu wiederholen, was Gott gesagt hat. Auch wenn wir Muslime glauben, dass die Offenbarung des Korans das unmittelbare und ewige Wort Gottes ist, so dürfen und müssen wir verstehen, dass es nicht nur darauf ankommt, was Gott Wortlaut gesagt hat, sondern vor allem auch darauf, was Er damit gemeint hat. Gott offenbart dem Menschen keine fertigen Antworten, sondern er zeigt ihm Beispiele aus einer bestimmten gesellschaftlichen Wirklichkeit und verlangt von ihm, dass er daraus Schlüsse zieht und dadurch sein Bewusstsein schärft. So will Gott den eingeschlafenen Geist der Menschheit erwecken und die Seite in ihm beleben, die nach Güte und Gerechtigkeit sucht.

Vor allem bestimmt die Liebe das Verhältnis zwischen Gott und Mensch und nicht die Furcht oder der Hass. Das heißt, Liebe, Toleranz, Respekt und Gerechtigkeit müssen zum tragenden Element werden, in dem der Gelehrte die Verantwortung übernimmt, die Religion zu interpretieren und zu kommentieren.

Die Geschichte kennt genügend Beispiele von Gewalt und Unrecht im Namen Gottes, um in der aufgeklärten Welt den Glauben von Rechtsprechung und Justiz fernzuhalten. Genau für diesen Fall haben wir ein Grundgesetz in Deutschland oder wie hier in Österreich die Bundesverfassung. Darin sind die Grundwerte dokumentiert, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Darüber kann es keine Debatte geben. Treue zur Verfassung, die auf den Prinzipien des Rechts und der sozialen Gerechtigkeit aufgebaut ist, liegt in unser aller Interesse und ist ein Gebot des Islams.

Erlauben sie mir noch einen Schlussgedanken. Die Islamische Gemeinde Graz möchte ihnen eine Moschee schenken. Warum? Moscheen sind wie Synagogen und Kirchen, Orte der Andacht und des näher Kommens zu Gott. Moscheen sind aber ebenso auch Orte der Versammlung, und damit der Begegnung und des Austausches und das Sprachrohr von neuen Botschaften. Deshalb werden sie weiterhin eine zentrale Bedeutung einnehmen in der Eingliederung der muslimischen Religionsgemeinschaften. Moscheen charakterisieren offene und willkommene Orte, für Menschen ohne Unterschied ihres Geschlechtes, ihrer Herkunft, ihrer Sprache, ihrer Weltanschauung.

Eine Bewertungsskala nach Frau oder Mann, mit oder ohne Kopftuch, sehr religiös oder weniger religiös, steht nicht zur Debatte. Die Aufgabe von einer Moschee ist, einen Diskurs zu eröffnen, der möglichst wissenschaftlich fundiert, einen universellen Kontext berücksichtigt und gleichzeitig der Zeit und dem Ort verpflichtet, neu auftauchende Fragen einbezieht. Weiter gilt es, die Bewusstseinsstärkung der Muslime für das Land zu fördern, in dem sie leben und womöglich auch sterben werden, deren Staatsbürgerschaft sie besitzen, häufig immer noch ohne ausreichende Kenntnisse über ihre Pflichten und Rechte.

Und zuletzt bedeutet das, den deutschen Spracherwerb zu unterstützen, den noch mehrsprachig organisierten Moscheealltag sukzessive heranzuführen an die gemeinsame Landessprache. Die Freitagspredigten sollten in Zukunft grundsätzlich in Deutsch sein, daneben aber auch die jeweiligen Herkunftssprachen wie Bosnisch, ihren Platz bekommen.
Das Lernen übereinander und voneinander, der Austausch, der Dialog, dass wir nicht nebeneinander her leben, sondern aufeinander zugehen und uns verständigen – das ist ein Gebot Gottes, nicht weniger wie es ein Gebot der Vernunft und des Herzens sein sollte.

So wie es in Graz ein Rathaus gibt, mehrere Schulen, einige Kirchen, eine Synagoge, Krankenhäuser, Universitäten, Museen, Polizeidienststellen, viele Geschäfte, ohne die eine Stadt nicht denkbar wäre, gehört zur Zukunft Graz eben auch eine Moschee als ein weiterer Schatz und Schmuck dieser Stadt. Sie wird innerhalb kurzer Zeit wachsen zum Symbol für ein fruchtbares Miteinander. Es wird eine Vision erreichen: In Graz wird es nicht die Moschee oder die Kirchen oder die Synagoge, in Graz wird es unsere Kirchen, unsere Synagoge und unsere Moschee geben. Lassen sie sich diese Chance nicht verbauen!

Danke für ihre Aufmerksamkeit!

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