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Loyalität gegenüber dem Land

von | 16. Jun 2014 | Publikationen

Muslime in Deutschland müssen mit Herz und Kopf für dieses Land einstehen, nicht nur aus bürgerlicher Verpflichtung heraus, sondern auch aus religiösem Selbstverständnis. Dazu gehört, dass Muslime die Geschichte, Kultur und die Traditionen der jeweiligen Länder, die Sprache, die staatliche und gesellschaftliche Ordnung, die Nationalhymne sowie die typischen Eigenschaften kennen und vertreten. Dazu gehört weiter, dass sie es als unsere religiöse, menschliche und nationale Aufgabe betrachten, in gegenseitiger Achtung gemeinsam mit der Gesellschaft und den entsprechenden Institutionen des Landes gegen un- und anti-demokratische Entwicklungen, gegen mangelnde Bildung, unmoralische Werte, Arbeitslosigkeit, Intoleranz, Gewalt, Terror, Hass gegen Juden, Christen oder Muslime vorgehen.

In der Vergangenheit hat die islamische Rechtstradition die Welt in zwei Bereiche eingeteilt: Länder, in denen überwiegend Muslime lebten und über die politische Macht verfügten, als dâr al-Islâm („Haus des Islam“), im Gegensatz zu nicht-muslimischen Ländern als dâr al-harb („Haus des Krieges“). In unserer Zeit fordern mehr und mehr muslimische Intellektuelle, diese Terminologie aufzugeben. Einige haben vorgeschlagen, westliche Länder, in denen Muslime als Minderheiten leben, als dâr as-sulh oder dâr al-‘ahd („Haus der Versöhnung/des Vertrages“) zu definieren. Aber diese Begriffe sind weder theologisch begründet, noch sind sie auf die globale Weltgemeinschaft von heute anwendbar.

Anstatt in Kategorien von „Wir“ und „die Anderen“ zu denken, muss uns die sich immer rasanter entwickelnde und vernetzte Welt als von Gott zu Gunsten der gesamten Menschheit geschaffenes „gemeinsames Erbe“ (Koran 3:180) gelten. „Gottes ist der Osten und der Westen. Egal wohin sie sich wenden, dort werden sie Gottes Richtung finden“ (Koran 2:115), so und ähnlich wendet sich der Koran an elf Stellen gegen die Polarisierung der Welt in konkurrierende Blöcke. Überall wo Muslime leben, sind sie aufgefordert, gemeinsam mit allen Bürgern in gegenseitigem Vertrauen an der Entwicklung und an der Sicherheit des jeweiligen Landes zu arbeiten. Darum ist der Mensch, gemäß dem Islam, erschaffen worden, damit er die Erde gestaltet, bebaut, entwickelt, sie schützt und für Sicherheit sorgt. „Dieser Gott hat euch aus der Erde geschaffen und ließ euch dort leben“ (Koran 11:61).

Diese Glaubensprinzipien sind heute mehr denn je unverzichtbar. Muslime in Deutschland müssen mit ihrer Hände Arbeit, aber ebenso mit Herz und Kopf für dieses Land einstehen, nicht nur aus bürgerlicher Verpflichtung heraus, sondern auch aus religiösem Selbstverständnis. Dazu gehört, dass Musliminnen und Muslime die Geschichte, Kultur und die Traditionen der jeweiligen Länder, die Sprache, die staatliche und gesellschaftliche Ordnung, die Nationalhymne sowie die typischen Eigenschaften kennen und vertreten. Dazu gehört weiter, dass sie es als unsere religiöse, menschliche und nationale Aufgabe betrachten, in gegenseitiger Achtung gemeinsam mit der Gesellschaft und den entsprechenden Institutionen des Landes gegen un- und anti-demokratische Entwicklungen, gegen mangelnde Bildung, unmoralische Werte, Arbeitslosigkeit, Intoleranz, Gewalt, Terror, Hass gegen Juden, Christen oder Muslime vorgehen.

Die Fünf Säulen des Islams bilden für alle Muslime die gemeinsame Glaubensgrundlage und haben als ‚Norm’ und ‚Dogma’ einen Statuscharakter. Das Land, das den Muslimen die Freiheit zur Ausübung dieser Grundsätze gewährt, wird von den Muslimen nicht als fremd empfunden, und sie akzeptieren dieses Land auch als Heimatland. Wie der bekannte ägyptische Dichterprinz Ahmad Shawqi mit kurdischer Mutter und türkischem Vater gesagt hat: „Wenn in einem Land der Name Gottes genannt wird, dann akzeptiere ich dieses Land als mein wahres Heimatland“.

Im Grundgesetz von 1949 wird die Glaubensfreiheit garantiert. Nach den demokratischen Gesetzen können Muslime die Substanz ihres Glaubens, die Schahadah (Bekenntnis zu Gott und zum Prophetentum Muhammeds), ungehindert bekennen, ihre Gebetszeiten einhalten, fasten, die vorgeschriebene Armensteuer abgeben und die Wallfahrt nach Mekka antreten. „Die Heimat zu lieben, bedeutet religiösen Glauben“, sagt eine unter Muslimen verbreitete Redensart. „Heimat“, watan, ist nach islamischer Auffassung das Land, in dem man geboren wurde. Damit dieses Land den hier geborenen und aufgewachsenen Muslimen Heimat sein oder werden kann, stehen alle Beteiligten vor großen Aufgaben.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Es ist keineswegs nur dieser erste Absatz unseres Deutschen Grundgesetzes, zu dem wir Muslime uns bekennen müssen. Satz für Satz und Wort für Wort ist das Grundgesetz die gemeinsame Grundlage für unser Selbstverständnis, für unsere Gegenwart und Zukunft, mit allen, die sich ebenso dazu bekennen. Gott selbst hat sein würdigstes Geschöpf, den Menschen, mit Verstand ausgekleidet und ihm die Aufgabe übertragen, selbst in eigener Verantwortung, in Seinem Sinne, Gesetze zu erlassen. Das Deutsche Grundgesetz gehört zu den großartigsten modernen Fundamenten, die ein Volk sich „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ geschaffen hat.

Der Islam erlaubt uns nicht nur, uns treu und loyal zum Gesetz des Landes, in dem wir leben, zu verhalten, er fordert uns klar und deutlich dazu auf! Der Islam fordert eine auf Recht und Gerechtigkeit aufgebaute Gesellschaft. Was auch immer die Zeiten und Kulturen in ihrer Gott-gewollten Verschiedenheit hervor­bringen: wo das politische System die Würde und Gleichheit des Menschen garantiert, die Religionsfreiheit, die Meinungsfreiheit, den Schutz von Eigentum und Nachkommenschaft – dort ist auch der Islam zuhause.

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